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Gouverneur Andrew Cuomo New Yorks Corona-General

Ausgangssperre, Kneipenverbot, flotte Sprüche: New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo steuert seinen Staat hart, aber besonnen durch die Coronakrise. Ganz im Gegenteil zum Mann im Weißen Haus.
Von Marc Pitzke, New York
Der Virusbekämpfer: New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo

Der Virusbekämpfer: New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo

Foto:

Bennett Raglin/ AFP

Er nennt es "Matilda's Law" - Matildas Gesetz - nach seiner 88-jährigen Mutter, der Patriarchin des Cuomo-Clans und früheren First Lady von New York. "Wir müssen mit der verwundbarsten Bevölkerung sehr vorsichtig umgehen", sagt Andrew Cuomo. "Mutter, Vater, Schwester, Freund, jeder hat jemanden."

Also stellt New Yorks Gouverneur ab Sonntag fast 20 Millionen Amerikaner mit dem Dekret unter Ausgangssperre: Die New Yorker sollen das Haus nur noch verlassen, um einzukaufen, in die Apotheke zu gehen oder "unentbehrliche" Arbeit zu verrichten.

Spätestens jetzt begreifen wohl auch die Letzten den Ernst der Lage. "Wir sind jetzt alle in Quarantäne", sagt Cuomo. "Und das ist schwer."

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Seit Wochen macht der US-Demokrat vor, was Führungsstärke bedeutet. Während aus dem Weißen Haus oft nur widersprüchliche Informationen, Falschmeldungen, Lobhudeleien oder Schimpftiraden kommen, setzt sich Cuomo jeden Morgen in den "Red Room" des New Yorker Kapitols, blickt in die TV-Kameras und steuert seinen Staat, so gut es geht, mit einer Mischung aus Gefühl, Härte und Humor durch diesen Ausnahmezustand.

Zwischendurch zeichnet er einen 30-minütigen Podcast  mit der "New York Times" auf, der fast wie eine Meditation wirkt. Oder spricht und scherzt mit seinem jüngeren Bruder, dem CNN-Moderator Chris Cuomo, im Fernsehen . Mit all dem bekämpft er das Virus.

Cuomo tut, was Trump nicht kann

"Eine Krise zeigt dir die Seele einer Person", sagt er bei einer dieser Pressekonferenzen, die - im Gegensatz zu der chaotischen Show in Washington - für viele New Yorker zu fast therapeutischem "Must See TV" geworden sind. "Sie zeigt dir, woraus jemand gemacht ist. Die Schwächen explodieren und die Stärken, äh, verstärken sich." Namen nennt er keine, muss er auch nicht.

Krisenmanagement ist seine Stärke. Seit bald zehn Jahren ist er Gouverneur, fast so lange wie sein legendärer Vater Mario Cuomo, der diesen Posten von 1983 bis 1994 innehatte. Während der Amtszeit des Sohnes wurde New York von Blizzards, Blackouts, Sturmfluten und dem tödlichen Hurrikan "Sandy" heimgesucht.

Und jetzt eben vom Coronavirus. Cuomo ist mittendrin, er organisiert, verbietet, maßregelt, droht, tröstet, beruhigt und drängt sich vor allem immer in den Mittelpunkt, auch unerwünscht, typisch für einen Typen aus Queens. Doch anders als der andere Typ aus Queens, Donald Trump, scheut er die Verantwortung nicht: "Ich übernehme die volle Verantwortung", sagt er, als er, nach langem Zögern, die Ausgangssperre verkündet. "Wenn sich jemand beschweren oder Schuld zuweisen will - gebt mir die Schuld."

Als der US-Präsident dagegen eine Woche vorher nach seinen Versäumnissen in der Coronakrise gefragt wurde, sagte er: "Ich übernehme überhaupt keine Verantwortung."

Erfahrung mit Krisen: Cuomo mit Präsident Barack Obama nach dem Hurrikan "Sandy" 2012

Erfahrung mit Krisen: Cuomo mit Präsident Barack Obama nach dem Hurrikan "Sandy" 2012

Foto: KEVIN LAMARQUE/ REUTERS

Cuomo tut das Gegenteil von Trump. "Wir New Yorker können uns glücklich schätzen", sagt Joyce Purnick, die langjährige Doyenne der hiesigen Lokaljournalisten, dem SPIEGEL. "Cuomo füllte das Vakuum früh und gab uns die informierte, beruhigende Führung, die wir von Trump nicht bekommen."

Diese Führung braucht New York. Der Staat ist zu Amerikas Coronavirus-Hotspot geworden, mit zuletzt fast 8000 Infektionen, ein Anstieg von 25 Prozent in nicht einmal 48 Stunden. Davon 5151 Fälle allein in New York City, der bevölkerungsreichsten, dichtgedrängtesten US-Metropole, die nun auch zur Geisterstadt wird .

Cuomo, 62 Jahre alt und mit der TV-Köchin Sandra Lee liiert, vermittelt diese Zahlen, ohne sie herunterzuspielen oder zu dramatisieren. Notstand, ja. Aber: "Dies ist kein nuklearer Holocaust." Vor allem, so fügt er hinzu: Denkt an die, die alleine sind, "die Angst haben". Nur wenige Worte reichten aus, um ein Leben zu retten: "Ich vermisse dich. Ich liebe dich. Ich denke an dich."

Kontroverse Maßnahmen gegen Corona

Als Trump das Coronavirus noch kleinredete, hielt Cuomo seine erste Krisensitzung ab. Nach Informationen des Magazins "Politico" verteilte er dabei ein dreiseitiges Memo , in dem er seine geplanten Aktionen schon im Detail aufgelistet hatte. Seine Berater hätten ihn gewarnt, dass viele dieser Maßnahmen kontrovers sein würden, wenn nicht illegal. Trotzdem überredete Cuomo das Landesparlament, dafür mehr als 60 Gesetze und Vorschriften zu "suspendieren". Sein Argument: Ein Votum dagegen sei ein Votum für das Virus.

Er schickte die Nationalgarde nach New Rochelle, einen Vorort von New York City, der sich als früher Corona-Brandherd entpuppte . Er setzte New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio, einen Parteirivalen, unter Druck, die Schulen zu schließen. Er appellierte an Trump , das "Militär zu mobilisieren", um den drohenden Bettennotstand in den Krankenhäusern auszugleichen.

Kontroverse Maßnahme: Cuomo schickte die Nationalgarde nach New Rochelle

Kontroverse Maßnahme: Cuomo schickte die Nationalgarde nach New Rochelle

Foto: SPENCER PLATT/ AFP

"Er ist der Kapitän des Schiffs", sagt Eric Adams, der progressive Stadtteilbürgermeister von Brooklyn und sonst eher ein Kritiker Cuomos, dem SPIEGEL. "Dies ist seine Show, und das Beste, was wir als Soldaten tun können, ist es, dem General zu folgen."

Schon wird Cuomo als potenzieller Präsident gehandelt, wie das so ist hier. Schließlich verbreiten seine Auftritte mehr Zuversicht als die gestelzten Anstrengungen Joe Bidens, den Anti-Trump zu geben. Angeblich soll Cuomo voriges Jahr auch kurz damit liebäugelt haben, ins Demokraten-Rennen einzusteigen falls Biden aussteigt.

Kein Wunder, dass Trump ihn nicht ausstehen kann. Als Cuomo zu Beginn der Krise den "Mangel an staatlicher Führung" kritisierte, schoss der Präsident prompt via Twitter zurück: "Cuomo aus New York muss mehr tun." Was dieser nicht auf sich sitzen ließ: "Ich muss mehr tun?", erwiderte Cuomo. "Nein - Sie müssen etwas tun! Sie sollten der Präsident sein!"

Inzwischen haben sie das Kriegsbeil begraben, es gibt wichtigere Probleme. Auch in Cuomos direktem politischen Umfeld ist das Virus angekommen: Am Freitagabend wurde ein Mitarbeiter seiner Pressestelle positiv auf das Coronavirus getestet.

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